Wenn ich jemandem zum ersten Mal von meiner freiberuflichen Tätigkeit als Autorin und Rätseldesignerin erzähle, kommt meistens die Frage auf, wie ich dazu komme Rätsel zu entwickeln.
Oder, wie ich es geschafft habe, einen Verlag dafür zu finden.
Tatsächlich war es genau andersherum. Der Verlag hat mich gefunden. Und zwar beim Pfannkuchenbacken.
Mit meiner roten Kochschürze stand ich an unserem Gasherd und war leicht genervt am Pfannkuchen backen. Natürlich nach dem alten Familienrezept mit der Dreier-Formel.
Leicht genervt war ich, weil mein Gast, der zu Besuch und zum Abendessen vorbeigekommen ist, unentwegt von seinem Arbeitstag erzählte, statt beim Kochen oder Tischdecken zu helfen. Er berichtete von seinen Recherchen für ein neues Rätselbuch. Ich wusste, dass er im frechverlag für die Escape Adventures zuständig war und wir kannten uns aufgrund der Tatsache, dass ich für meine beste Freundin einen personalisierten Escape Room für ihren Jungesellinnenabschied konzipiert und gebaut habe (eine Gesichte, die eines eigenen Blogbeitrages würdig ist). Als Beilage, die man in die Pfannkuchen wickeln kann, gab es Karotten in Sahnesoße. Ganz begeistert von den Rätseln, die er entdeckt hatte, schilderte er mir einige davon. Die verschiedenen Essensbestandteile auch zeitlich zu managen erforderte aufgrund der hohen Hitze des Gasherdes einen Großteil meiner Konzentration. Mein Gast war eine Mischung aus verwundert und enttäuscht, dass mich seine Rätsel wenig beeindruckten und ich zu den meisten direkt die Lösung wusste.
“Wieso kennst du die denn alle schon?“
Ich rühre die Karotten um, zucke mit den Schultern und wende einen Pfannkuchen.
„Naja, ich rätsel halt gerne.“
“Aha, und kennst du auch bessere Rätsel?“
“Ja klar, das waren jetzt ja schon ziemliche Standard-Rätsel.“
Der Pfannkuchen ist fertig und kommt auf den stetig wachsenden Berg neben der Pfanne.
“Aha, und kannst du auch selbst bessere Rätsel erfinden?“
Mit Präzision gieße ich eine halbe Kelle Teig in die heiße Pfanne, die ich möglichst schräg halte, um besonders dünne Pfannkuchen zu erhalten.
“Keine Ahnung. Habe ich noch nie versucht. Vielleicht.“
“Wir suchen gerade neue Rätselautoren. Hättest du Lust dich zu bewerben?“
Ja. Hatte ich. Mit zwei Beispielrätsel, die aus jetziger Sicht, beide zu schlecht waren, um sie hier zu veröffentlichen, habe ich mich als Rätselautorin beworben und wurde daraufhin gefragt, ob ich eine neue Rätselbuchreihe übernehmen wollen würde.
Eine Folgefrage wäre natürlich, wie es dazu kam, dass ich so gerne gerätselt hab. Seit der ersten Klasse war Mathe mein Lieblingsfach. In der Oberstufe finanzierte ich meine Freizeitvergnügen durch Mathenachhilfe für junge Mädels, denen von irgendwem/der Gesellschaft eingeredet wurde, dass Frauen schlechter in Mathe seien und es durch diese Haltung auch waren, aber gleichzeitig keine Nachhilfe von 17 jährigen Jungs wollten. Außerdem kaufte ich mir regelmäßig Matheübungsbücher, weil mir diese besonders Spaß bereitet haben. Auch wenn es damals vermutlich nicht sehr sinnig erschien, ausgerechnet das leistungsstärkste Fach statt vielleicht Vokabeln zu trainieren, hat es vermutlich dazu beigetragen, dass michnlogisch-mathematische Fragestellungen auch über die Schule hinaus begleitet haben.
Für einen Urlaub am Strand war auf jeden Fall eine alte Ausgabe des Mathekänguruhs dabei: ein jährlich stattfindender Wettbewerb mit besonders kniffligen Fragestellungen für verschiedene Klassenstufen. Und natürlich eine aktuelle Ausgabe des PM Logiktrainers. Jene Zeitschrift, die noch heute alle meine Freunde zum Augen-Verdrehen bringt, wenn ich sie auspacke.
Bis heute hält sich die Anzahl an Menschen, die ich kenne und die ebenfalls Spaß am Lösen an Rätseln aus dieser Zeitschrift haben, im unteren einstelligen Bereich.
Und erst beim Verfassen dieses Blogeintrages ist mir aufgefallen, dass auf dem Cover jedes Mal ein Fragezeichen abgebildet ist.
Bei den Überlegungen, ob es in meiner Vergangenheit vielleicht weitere Hinweise darauf gegeben hat, dass ich irgendwann mal als Rätselsautorin arbeiten würde, ist mir folgende Geschichte aus einem Urlaub in Griechenland eingefallen:
Wir waren in einem kleinen Küstenort auf Kreta und ich war so in etwa 12 Jahre alt. Während ich abends lesend auf dem Balkon des kleinen Hotels saß, war meine Mutter noch mit einigen Freunden in einer Bar. Irgendwann kam sie den schmalen Weg auf das Hotel zu und rief mir mit gedämpfter Stimme es etwas zu. Vor ihren Freunden hatte sie behauptet nach ihrem Kind schauen zu wollen. In Wirklichkeit wurde in der Bar nach einigen Bierrunden ein Rätsel diskutiert. Es stand die Wette, dass der- oder diejenige, die das Rätsel lösen kann, ein Bier spendiert bekommt.
Meine Mutter, der es sehr viel mehr um das Gewinnen an sich als um das kostenlose Bier ging, wisperte mir also über 2 Stockwerke ein Rätsel zu. Absolut sicher, dass ich es entweder eh schon kenne oder zumindest lösen kann.
Und tatsächlich war es das bekannte „Lampe im Keller - drei Lichtschalter“ Rätsel:
eine Lampe hängt im Keller, außerhalb der Sichtweite von drei Lichtschaltern. Wie kann man mit nur einem Gang die Treppe herunter herausfinden, welches der richtige und zugehörige Lichtschalter ist?
Zufrieden mit der Lösung, die ich ihr über den Balkon hinunter zugeraunt habe, ging meine Mutter zurück in die Bar und gewann ihr Bier.
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